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EXP:Experimente zur Quantenphysik mit NV-Zentren im Diamanten

Aus Physik und ihre Didaktik Wiki


Valenzstrichformel des NV-Zentrums. Zwei der Kohlenstoffatome im Gitter des Diamanten werden durch je ein Stickstoffatom und eine Leerstelle ersetzt. An der Bildung des NV--Zentrums ist ein weiteres Elektron beteiligt, das aus einer anderen Fehlstelle stammt und hier rot eingezeichnet ist. Angelehnt an [1].

Einleitung

Struktur und Fluoreszenz des NV-Zentrums

NV-Zentren sind Fehlstellen im Gitter von Diamanten. Bei diesen wird jeweils ein Kohlenstoffatom im tetraedrischen Gitter des Diamanten durch ein Stickstoffatom (engl. nitrogen) und eine Leerstelle (engl. vacancy) ersetzt. Je nach Anzahl der beteiligten Elektronen lässt sich zwischen NV0-Zentrum und NV--Zentrum unterscheiden. Das NV- Zentrum weist ein zusätzliches aufgenommenes Elektron auf und zeigt dadurch eine Fluoreszenz, anhand der verschiedene quantenphysikalische Effekte untersucht werden können. Das NV--Zentrum soll daher in diesem Artikel im Fokus stehen. Das Termschema zeigt den Grundzustand 3A2 und den angeregten Zustand 3E2 . Bei Bestrahlung des NV-Zentrums im Grundzustand mit Photonen einer Wellenlänge von 532 nm – zum Beispiel durch grünes Laserlicht – wird dieses zunächst in höhere vibronische Zustände des 3E2 Zustands versetzt. Nach Verlust eines Teils der Energie kann das NV-Zentrum vom 3E2 Zustand wieder in den Grundzustand fallen, wobei Photonen mit einer Wellenlänge von 600-830 nm abgegeben werden. Hierdurch kommt es zur charakteristischen roten Fluoreszenz des NV-Zentrums, welche auch für die rötliche Färbung mancher natürlich vorkommenden Diamanten verantwortlich ist. Der Grundzustand und angeregte Zustand verfügen jeweils über zusätzliche Spinzustände 3A2 und 3E2 . Die Energien der Zustände sind jeweils gegenüber den Spin |0> Zuständen nach oben verschoben, das NV-Zentrum kann zwischen diesen jedoch den gleichen Fluoreszenzübergang vollziehen. Die Zustände sind in Abwesenheit eines äußeren Magnetfelds entartet, spalten sich im Magnetfeld jedoch entsprechend des Zeeman-Effekts auf.

Vereinfachtes Termschema des NV-Zentrums mit den wichtigsten optischen und strahlungsfreien Übergängen. Die Aufspaltung der Energiezustände durch den Zeeman-Effekt ist durch gestrichelte Linien angedeutet. Angelehnt an [2].

Optical Detected Magnetical Resonance

Der Abstand der aufgespalteten Spin-Zustände liegt im GHz Bereich und ist daher nur schwierig mithilfe optischer Methoden aufzulösen. Eine alternative Methode zur experimentellen Beobachtung des Zeeman-Effekts bietet optically detected magnetic resonance (ODMR). Hierbei wird ausgenutzt, dass das NV-Zentrum neben den oben besprochenen Triplett-Zuständen die energetisch zwischen den Triplett-Zuständen liegenden Singulett-Zustände 1A1 und 1E1 aufweist. Ein NV-Zentrum im 3E2 kann mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 30 % strahlungsfrei in den 1A1 statt in den 3A2 Zustand fallen. Vom 1A1 fällt es unter Abgabe eines Photons mit einer Wellenlänge von 1042 nm in den 1E1 Zustand und fällt von diesem strahlungsfrei zurück in den Grundzustand 3A2 . Da der Übergang zwischen den Singulett-Zuständen eine andere Wellenlänge aufweist, kommt es bei den Spin Zuständen zu einer Verringerung der roten Fluoreszenz. Um dies für die Beobachtung des Zeeman-Effektes zu nutzen, wird das NV-Zentrum zunächst durch optisches Pumpen mit grünem Laserlicht im Zustand 3A2 präpariert. Der Abstand zwischen den Zuständen 3A2 und 3A2 liegt im Mikrowellenbereich. Mithilfe einer um den Diamanten gewickelten Mikrowellenantenne kann ein oszillierendes Magnetfeld erzeugt und damit der Spinzustand durch Rabi-Oszillation manipuliert werden. Liegt die Frequenz der Mikrowellen nahe der Resonanzfrequenz zwischen den 3A2 und 3A2 Zuständen, so wechselt das NV-Zentrum periodisch zwischen diesen. Die Manipulation mit der Mikrowellenstrahlung kann gepulst oder kontinuierlich erfolgen. Bei der gepulsten ODMR wird die Mikrowellenstrahlung nur für eine bestimmte Zeit appliziert, sodass das NV-Zentrum gezielt in den Zustand 3A2 gebracht wird. Dies funktioniert allerdings nur für einzelne NV-Zentren. Bei der kontinuierlichen ODMR wird die Mikrowellenstrahlung dauerhaft eingestrahlt, sodass die NV-Zentren kontinuierlich zwischen Spin und Spin wechselt und sich jeweils ein Teil der Gesamtpopulation der NV-Zentren in den beiden Spinzuständen und ihren Überlagerungszuständen befindet. Für ODMR wird nun die Frequenz der eingestrahlten Mikrowellen variiert. Liegt die Mikrollenfrequenz nahe der Resonanzfrequenz des Übergangs, so lässt sich bei konstant eingestrahltem grünen Licht aufgrund des Transfers in den Spin Zustand eine verringerte der Fluoreszenz beobachten. Trägt man die gemessene Fluoreszenz gegenüber der Frequenz auf, erhält man einen Einbruch der Frequenz nahe der Resonanzfrequenz. Aufgrund der Entartung der Energieniveaus der Spins erhält man ohne äußeres Magnetfeld ein einzelnes Minimum, welches sich in Präsenz eines Magnetfeldes jedoch in zwei Minima aufspaltet, deren Frequenzen mit zunehmender Feldstärke auseinander wandern.

Schematische Darstellung eines ODMR-Messergebnisses. Durch die fehlende Fluoresezenz des Singulett-Übergangs ergibt sich bei Bestrahlung mit Mikrowellen der Resonanzfrequenz ein Einbruch der Fluoreszenz (blaue Kurve). Bei Anwesenheit eines externen Magnetfelds spaltet das Minimum in zwei Minima auf (rote Kurve).

Versuch 1: Fluoreszenz von NV-Zentren mit LEDs untersuchen

In diesem Versuch geht es darum, die Fluoreszenz von NV-Zentren im Diamanten sichtbar zu machen nud zu untersuchen, mit welchen Wellenlängen die NV-Zentren zum Leuchten angeregt werden können und mit welche nicht. Die daraus entstehenden Folgerungen lassen sich in einem ersten einfachen Termschema zusammenfassen. Eine genaue Versuchsbeschreibung findet sich unter hier.

Versuch 2: Fluoreszenz von NV-Zentren mit dem Spektrometer untersuchen

In diesem Versuch geht es darum, die Fluoreszenz von NV-Zentren im Diamanten sichtbar zu machen und spektroskopsich zu untersuchen. Eine genaue Versuchsbeschreibung findet sich unter Spektroskopie mit NV-Diamanten.

Versuch 3: ODMR-Spektroskopie mit NV-Zentren

Bei diesem Versuch geht es darum, mithilfe von ODMR den Zeemann-Effekt von NV-Zentren im Diamanten zu zeigen. Hierzu wird ein fertiger Versuchsaufbau der Firma Advanced Quantum GmbH verwendet. Mit entprechendem Material ist es natürlich auch möglich den Versuch selbst aufzubauen. Eine genaue Anleitung findet sich unter ODMR an NV-Zentren.

Behandelbare Aspekte der Quantenphysik

Mithilfe der beschriebenen Versuche lassen sich folgende Aspekte der Quantenphysik im Unterricht behandeln:

  • Termschema des NV-Zentrums mit gequantelten Energiezuständen und damit verbundener gequantelter Energieaufnahme und -abgabe bei der An- und Abregung
  • Vibronische Zustände als Erklärung für den Energieverlust bei der Fluoreszenz
  • Spinzustände der Elektronen
  • Die damit verbundene Aufspaltung der Enegieniveaus im Termschema durch den Zeeman-Effekt
  • Rabi-Oszillation, welche die Grundlage für das in der Messung des Zeeman-Effekts verwendete ODMR bildet
  • Wahrscheinlichkeitsverhalten der Übergänge zwischen Energieniveaus, durch welches die Cosinus-Form der Rabi-Oszillation zustande kommt
  • Superposition von Zuständen im Ausblick zum Quantencomputing

Lernvoraussetzungen

Die Zielgruppe für die beschriebenen Versuche sind Schülerinnen und Schüler des zwei- und vier-stündigen Kurses mit Schwerpunkt Quantenmechanik. Als Lernvoraussetzungen dienen daher die nach dem Bildungsplan der Fächer Physik und Chemie bis einschließlich in der Kursstufe behandelten Kompetenzen aus dem Themenbereich Struktur der Materie und Quantenmechanik [3] [4] . Diese werden im Folgenden zusammengefasst:

  • Struktur der Materie und Aufbau des Atoms (Physik, Klassenstufe 9/10; Chemie, Klassenstufe 8/9/10)
  • Schalen/Energiestufenmodell (Chemie, Klassenstufe 8/9/10)
  • Kristallgitter am Beispiel des Ionengitters (Chemie, Klassenstufe 8/9/10)
  • Erzeugung eines Magnetfelds durch eine Spule (Physik, Kursstufe)
  • Welleneigenschaften des Lichts (Physik, Kursstufe)
  • Elektromagnetisches Spektrum (Physik, Kursstufe)
  • Beschreibung von Quantenobjekten durch Wahrscheinlichkeitsaussagen am Beispiel des Doppelspalts (Physik, Kursstufe)
  • Lichtquantenhypothese als Erklärung für den photoelektrischen Effekt (Physik, Kursstufe)
  • Beschreibung von Lichtquanten anhand ihrer Energie, (Physik, Kursstufe)

Viele der oben beschriebenen Aspekte der Quantenphysik werden also bereits im Physikunterricht in anderen Kontexten behandelt. Nicht behandelt werden der Spin und der Zeeman-Effekt, welcher direkt im Versuch beobachtet werden kann. Die Erzeugung des Magnetfeldes durch eine Spule kann jedoch als Ausgangspunkt für die semi-klassische Behandlung des Zeeman-Effekts dienen. Ebenfalls nicht behandelt wird die Rabi-Oszillation, welche jedoch ausgehend vom Termschema eingeführt werden kann.

Möglicher Aufbau einer Unterrichtseinheit

Aufbauend auf den behandelbaren quantenphysikalischen Aspekten und den Lernvoraussetzungen wird im Folgenden ein möglicher Aufbau einer Unterrichtseinheit skizziert.

Beobachtung der Fluoreszenz des Diamanten und Einführung des Hauptübergangs

  • Problemorientierter Einstieg: direkte Beobachtung der Fluoreszenz des Diamanten mit dem einfachen Aufbau, Messung der Wellenlänge mit dem Spektrometer
  • Einführung der Tetraeder-förmigen Gitterstruktur des Diamanten mithilfe eines Stäbchenmodells
  • Schema des NV-Zentrums mit beteiligten Elektronen, Konzentration auf das für die Fluoreszenz relevante NV- Zentrum
  • Vereinfachtes Termschema, welches nur den Grundzustand 2A3 und den angeregten Zustand 2E3 enthält, Bezug auf das aus dem Chemieunterricht bekannte Schalenmodell
  • Erklärung der Fluoreszenz mithilfe des Termschemas: Ein Teil der aufgenommenen Energie wird in kinetische Energie, also Wärme umgewandelt, sodass das bei der Abregung entstehende Licht eine größere Wellenlänge hat. (nicht explizit auf die vibronischen Zustände eingehen).
  • Erneute Betrachtung des Experiments mit dem neuen Wissen

Einführung des magnetischen Dipolmoments und des Spins

  • Ausgangspunkt: Bilder der Aufspaltung der Natrium-D-Linie im externen Magnetfeld
  • Einführung des magnetischen Moments über die semi-klassische Erklärung des normalen Zeeman-Effekts: Die Bewegung des Elektrons um den Kern erzeugt einen Kreisstrom, welcher ein magnetisches Dipolmoment erzeugt. Dieses richtet sich im äußeren Magnetfeld aus, wobei die Energie für parallele Ausrichtung minimal wird. Ähnlich wie ein Kreisel führt das magnetische Dipolmoment eine Präzessionsbewegung durch die Kraft des äußeren Magnetfelds aus. Hieraus ergibt sich eine Änderung der Frequenz um
, wobei die Elementarladung, die Masse des Elektrons und die magnetische Feldstärke ist.
  • Mit Verweis auf die gequantelten Energiezustände der Elektronen im Schalenmodell kann ohne tiefere Erklärung darauf eingegangen werden, dass auch das magnetische Moment diskrete Zustände aufweist, welche durch zugehörige magnetische Quantenzahlen m beschrieben werden, sodass
, wobei das plancksche Wirkungsquantum, die Lichtqeschwindigkeit und die magnetische Feldstärke ist.
  • Spin: Elektronen haben durch den Spin auch unabhängig von ihrer Bewegung um den Kern ein magnetisches Moment mit diskreten Einstellungsmöglichkeiten. Hierbei ist es wichtig abzugrenzen, dass der Spin zwar ähnlich wie die Bahndrehung des Elektrons ein magnetisches Dipolmoment erzeugt, es sich beim Spin aber um eine innere Eigenschaft des Elektrons handelt, für die es in der klassischen Physik kein entsprechendes Äquivalent gibt.
  • Rückbezug zum NV-Zentrum: Ergänzung des Termschemas um die Zustände 2A3 und 2E3 . Visualisierung der Aufspaltung mithilfe eines verschiebbaren Termschemas aus magnetisch haftenden Energielinien.

Experimentelle Beobachtung des Zeeman-Effekts mithilfe von ODMR

  • Ausgangsfrage: Wie kann man im NV-Zentrum den Zeeman-Effekt sichtbar machen?
  • Problem: Der Abstand zwischen den Energieniveaus der beiden Spinzustände ist auch im äußeren Magnetfeld zu gering, um sie mit unseren technischen Möglichkeiten optisch aufzulösen. Wir suchen daher nach weiteren Eigenschaften des NV-Zentrums, die uns bei unserer Messung nützlich sein können.
  • Ergänze das Termschema des NV-Zentrums um die Zustände 1E1 und 1A1
  • Besprechung des fluoreszenzlosen Übergangs: Bei Anregung auf den Zustand besteht eine Chance von etwa 30 %, dass das NV-Zentrum statt des Fluoreszenzübergangs über diese Zustände zurück in den Ausgangszustand zurückfällt. Da der Übergang nicht im sichtbaren Bereich liegt, zeigt er keine grüne Fluoreszenz.
  • Einführung der Rabi-Oszillation anhand der charakteristischen Sinus-Kurve. Bei bekannter Periodendauer kann der Spinzustand durch die Wahl der Laserpulslänge eingestellt werden. Dieser Effekt kann beim NV-Zentrum dazu genutzt werden, zwischen 2A3 und 2A3 zu wechseln.
  • Erklärung der konkreten Umsetzung beim NV-Zentrum: Die Frequenz der für den Übergang zwischen den beiden Energieniveaus benötigten Photonen liegt im MHz-Bereich, weshalb zur Anregung eine Mikrowellenantenne verwendet wird. Dies kann mithilfe der bekannten Zusammenhänge zwischen Energie, Frequenz und Wellenlänge nochmal rechnerisch nachvollzogen werden.
  • Erklärung der ODMR Methode: Die Frequenz der durch die Mikrowellenantenne erzeugten Photonen wird variiert. „Trifft“ man nun die Resonanzfrequenz, so wechselt man in den Zustand. Parallel wird der Diamant kontinuierlich mit grünem Laserlicht angeregt. NV-Zentren im 2A3 Zustand vollziehen den bekannten Fluoreszenzübergang. NV-Zentren im 2A3 fallen hingegen nach Anregung zu 2E3 teilweise über den fluoreszenzlosen Übergang zurück, wodurch die gemessene Fluoreszenzintensität abnimmt.
  • Aufstellen von Hypothesen: Wie sieht der entsprechende Graph aus, wenn wir die gemessene Fluoreszenz gegenüber der Mikrowellenfrequenz auftragen? Wie ändert sich der Graph, wenn ein äußeres Magnetfeld vorliegt?
  • Experimentelle Beobachtung des Zeeman-Effekts mit dem Versuchsaufbau von Advanced Quantum GmbH
  • Auswertung: Vergleich der aufgenommenen Messdaten mit den Hypothesen und Diskussion der Aufspaltung in Abwesenheit des Magneten. Parallel zur Besprechung der aufgenommenen Graphen werden die zugehörigen Übergänge der NV-Zentren und die Aufspaltung durch den Zeeman-Effekt mithilfe des verschiebbaren Energieschemas an der Tafel visualisiert.

Kleiner Ausblick zum Quantencomputing

  • Superpositionszustände: Anhand des Graphen der Rabi-Oszillation kann nochmal darauf eingegangen werden, dass wir mit unserem NV-Zentrum auch Überlagerungszustände zwischen und herstellen können. Diese können als Qubits genutzt werden.

Literatur

  1. Maurer, T. (2021). NV-Zentren im Diamant für das Schülerlabor. Universität Stuttgart, Stuttgart. S. 28.
  2. Ziem, F. (2019). Nanometric Magnetic Resonance Imaging with a Wide Field of View. Universität Stuttgart, Stuttgart. S. 22.
  3. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Würtemberg (2016). Bildungsplan des Gymnasiums - Physik. Stuttgart.
  4. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Würtemberg (2016). Bildungsplan des Gymnasiums - Chemie. Stuttgart.
88x31.png Universität Stuttgart, 5. Physikalisches Institut, AG Physik und ihre Didaktik, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0