Aktionen

EXP

EXP:Flugbahn beim Verlassen einer Kreisbewegung & Haftreibungskoeffizient

Aus Physik und ihre Didaktik Wiki


Bewegt sich ein Objekt im Kreis, dann prägt sich diese Bewegungsform dem Objekt ein. Sie klingt erst allmählich aus, wenn der Kreis verlassen wird.[1]

Dieser verbreiteten Schülervorstellung wollen wir mit diesem Experiment entgegen wirken und zeigen, was tatsächlich mit einem Objekt geschieht, dass die Kreisbahn verlässt.

Theoretische Zusammenfassung

Damit ein Objekt auf einer rotierenden Kreisscheibe (in der x-y-Ebene) liegen bleibt muss eine Zentripetalkraft auf diesen Körper wirken. Als wirkende Zentripetalkraft wird hier die Haftreibungskraft des Objekts auf die Kreisscheibe betrachtet. Der Haftreibungskoeffizient hängt dabei von den Materialien des Objekts und der Kreisscheibe und der Beschaffenheiten der beiden Grenzflächen ab. Wenn das Objekt die Kreisscheibe verlässt reicht die Haftreibungskraft als Zentripetalkraft nicht mehr aus um das Objekt auf der Kreisscheibe zu halten. Der Haftreibungskoeffizient kann dann aus dem Vergleich der beiden Formeln zum Zeitpunkt der größtmöglichen Haftreibungskraft kurz vor dem Abflug des Objekts von der Kreisscheibe bestimmt werden. Dazu muss die Rotationsgeschwindigkeit der Kreisscheibe zu diesem Zeitpunkt bestimmt werden. Es folgt dann:

.

Dabei ist die Normalkraft des Objekts auf die Oberfläche der Kreisscheibe. Zum Zeitpunkt des Abflugs des Objekts von der rotierenden Kreisscheibe greift nur noch die Gewichtskraft an dem Objekt an. In Flugrichtung oder senkrecht dazu und parallel zur Kreisscheibe greift keine Kraft mehr am Objekt an. Nach dem 1. Newtonschen Gesetz (Beharrungsprinzip) verbleibt der Körper in der x- und y-Richtung also in einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung. Da in z-Richtung die Gewichtskraft auf das Objekt wirkt wird das Objekt in dieser Richtung immer schneller. Zusammen mit der gleichförmigen geradlinigen Bewegung in der x-y-Ebene legt das Objekt Richtung Boden eine parabelförmige Flugbahn zurück:

Versuchsaufbau um die Flugbahn einer Kugel nach dem Verlassen der Kreisbahn zu demonstrieren.
Allgemein
Klassenstufe Klasse 9/10
Kategorie Mechanik:Dynamik
Einordnung in den Bildungsplan von BW Kapitel, Abschnitt 3.3.5.2 (5)
Klassifikation
Quantitativ/Qualitativ Qualitativ (Quantitativ möglich)
Demo-/Schülerexperiment Beides möglich
Unterrichtsphase Vertiefungsphase
Einzelversuch/Versuchsreihe Einzelversuch

Didaktischer Rahmen

Fachdidaktische Zielsetzung

Anhand dieses Experiments sollen die SuS zunächst ihre eigenen Hypothesen zu physikalischen Fragestellungen formulieren und dann das Experiment zielgerichtet beobachten und ihre Beobachtungen beschreiben. In der Nachbesprechung sollen die SuS dann Hypothesen anhand der Ergebnisse von Experimenten beurteilen können.

Nötige Vorkenntnisse

Dieses Thema ist der letzte Abschnitt der Newtonschen Mechanik in den Klassen 9/10. Die SuS sollten bis dahin also die Begriffe Kraft und Impuls verinnerlicht haben. Es muss hier unbedingt bekannt sein, dass sowohl der Impuls als auch die Kraft jeweils einen Betrag und eine Richtung haben. Zudem muss klar sein, dass die Kraft als Änderung des Impulses definiert werden kann mit . Zusätzlich wurde das Kräftegleichgewicht und die Kräfteaddition besprochen. Direkt vor diesem Experiment wurde nun besprochen, dass eine Zentripetalkraft nötig ist um einen Körper auf einer Kreisbahn zu halten.

Mögliche Schülerschwierigkeiten

  • Aus der seitlichen Perspektive der Schülerinnen und Schüler auf das Experiments ist die parabelförmige Flugbahn des Objekts nach dem Verlassen der Kreisbahn zu erkennen. Es bietet sich daher an mit den SuS diese unterschiedliche Sichtweise ausführlich zu besprechen. Um das Ergebnis des Demonstrationsexperiments deutlich zeigen zu können bietet es sich an eine Kamera (Dokumentenkamera) senkrecht über dem Experiment zu platzieren und das Bild über einen Beamer an eine Wand zu übertragen. So ist das Ergebnis deutlich für alle SuS zu erkennen.

Schülervorstellungen, die hier relevant werden

Bei der oben angesprochenen Schülervorstellung, dass sich die Bewegungsform dem Objekt aufprägt, gehen die SuS von einer im Objekt gespeicherten inneren Kraft aus. Dieser Versuch soll den SuS deutlich zeigen, dass das nicht der Fall ist [2].

Versuchsanleitung

Benötigtes Material

Alle nötigen Versuchsmaterialien befinden sich im Schülerlabor.

  • Drehachse mit Wellrad und Ringmutter
  • Elektromotor mit Antriebsrad und Stromkabel
  • Zahnriemen
  • Labornetzgerät mit Netzkabel
  • Flugobjekt (Knetmasse / 20-Cent-Münze)
  • Lochrasterplatte

Versuchsaufbau

Genauere Beschreibung des Versuchsaufbaus. Hier können auch einzelne Schritte beschrieben werden. Gerne zu jedem Schritt Bilder einfügen.

Schritt 1
Im ersten Schritt muss der Elektromotor mithilfe eines Zahnriemens an der Drehachse des Wellrades befestigt werden. Dazu muss die Ringmutter gelöst und das Wellrad abgenommen werden.
Schritt 2
Mithilfe von passenden Schraube müssen das Wellrad und der Elektromotor auf einer Lochrasterplatte befestigt werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Zahnriemen nicht zu locker und nicht zu fest sitzt.
Schritt 3
Der Elektromotor wird nun mit zwei Bananenkabeln mit dem Netzgerät verbunden. Beim Einstecken des Netzkabels in die Steckdose sollte darauf geachtet werden, dass das Netzgerät ausgeschaltet ist.
Schritt 4
Wird die Knetmasse verwendet, so kann nun aus der Knetmasse eine ca. 1 cm große Kugel geformt werden. Es bietet sich hier aber auch an eine 20-Cent-Münze zu verwenden, da hier der Haftreibungskoeffizient immer ca. gleich groß ist und nicht vom Anpressdruck abhängt.
Schritt 5
Soll das Experiment qualitativ ausgewertet werden wird hier zusätzlich eine Kamera (z.B. die eines Tablets) benötigt, die senkrecht über dem Experiment aufgebaut werden sollte.
Schritt 6
Soll das Experiment auch quantitativ ausgewertet werden, so kann dafür eine Lichtschranke so aufgebaut werden, dass die am Wellrad befestigte Schraube pro Umlauf einmal durch die Lichtschranke läuft. Mit dieser kann dann die Rotationsgeschwindigkeit bestimmt werden.
Zahnriemen um die Drehachse des Wellrads mit dem Elektromotor zu verbinden. Fotograf: Ferdinand Raiber
Versuchsaufbau zur Bestimmung der Rotationsgeschwindigkeit mit einer Lichtschranke. Fotograf: Nicolas Braatz

Versuchsdurchführung

Das Objekt wird ganz außen auf der Kreisscheibe platziert. Der Abstand zwischen der Mitte der Drehachse und dem Schwerpunkt des Objekts muss bestimmt werden. Das Netzgerät wird eingeschaltet und die Spannung in 0,5 V - Schritten langsam erhöht.

Soll der Versuch qualitativ durchgeführt werden muss das Experiment mit einer Kamera senkrecht von oben gefilmt werden. Dieser so entstandene Film kann dann in Zeitlupe abgespielt werden. Die Flugbahn kann so genau betrachtet werden. Mithilfe einer Videoanalyse-Software kann ausßerdem das Objekt verfolgt werden und so die Flugbahn noch genauer betrachtet werden.

Zur quantitativen Auswertung wird die Rotationsgeschwindigkeit der Kreisscheibe parallel gemessen. Pro 0,5 V - Schritt sollten mehrere Umläufe der Kreisscheibe gemessen werden. Die Rotationsgeschwindigkeit zum Zeitpunkt des Abflugs des Objekts sollte über einen längeren Zeitraum gemessen werden. So kann über mehrere Messwerte gemittelt werden.

Auswertung

Qualitativ

Um die Flugbahn der Knetkugel nach Verlassen der Kreisbahn zu bestimmen, wird eine Spiegelreflexkamera mit einer Serienbild-Funktion verwendet. Alternativ kann dies auch mit einer Slow Motion-Aufnahme oder im Präsenzunterricht mittels Dokumentenkamera und Beamer erfolgen. Mithilfe von Paint werden dann die einzelnen Bilder zu einem Stroboskopbild zusammengefügt. Bei einem Video kann auch ein Stroboskopbild mithilfe der Software Tracker erstellt werden.

Quantitativ

Hier wurde der Haftreibungskoeffizient einer 20-Cent-Münze bestimmt. Dazu wurde an dem verwendeten Netzgerät die Spannung in 0,5 V Schritten langsam erhöht und dabei die Winkelgeschwindigkeit gemessen. Bei einem Radius von und einer Winkelgeschwindigkeit von ergibt sich ein Haftreibungskoeffizient für die 20-Cent-Münze von:

Dieser Wert liegt im Bereich der Haftreibungskoeffizienten für eine trockene Reibung von Stahl auf Stahl[3].

Stroboskopbild beim Verlassen der Knetkugel von der Kreisscheibe. Autor: Ferdinand Raiber
Messdaten zur Bestimmung des Haftreibungskoeffizienten einer 20-Cent-Münze. Autorin: Katharina Stütz


Mögliche Probleme und ihre Lösungen

  • Hat sie Flugbah immernoch eine Parabelform, so kann das daran liegen, dass die Kamera nicht genau senkrecht über dem Experiment steht. Schon eine geringe Abweichung lässt sie Flugbahn parabelförmig erscheinen.
  • Es sollte darauf geachtet werden an der Kamera eine möglichst hohe Bildfrequenz (FPS) zu nutzen. So kann der Flug des Objekts genauer betrachtet werden.

Sicherheitshinweise

Verletzungsgefahr durch einen umkippenden Versuchsaufbau und umherfliegende Objekte. Es kann leider nicht vorhergesagt werden in welche Richtung das Objekt fliegen wird.

Fotos

  • slide 1
        Versuchsaufbau um die Flugbahn einer Kugel nach dem Verlassen der Kreisbahn zu demonstrieren.
    
  • slide 2
         Zahnriemen um die Drehachse des Wellrads mit dem Elektromotor zu verbinden. Fotograf: Ferdinand Raiber
    
  • slide 3
         Versuchsaufbau zur Bestimmung der Rotationsgeschwindigkeit mit einer Lichtschranke. Fotograf: Nicolas Braatz
    
  • slide 4
         Stroboskopbild beim Verlassen der Knetkugel von der Kreisscheibe. Autor: Ferdinand Raiber 
    
  • slide 5
         Messdaten zur Bestimmung des Haftreibungskoeffizienten einer 20-Cent-Münze. Autorin: Katharina Stütz
    

Literatur

  1. Schecker, Horst; Wilhelm, Thomas; Hopf, Martin; Duit, Reinders (Hrsg.) (2018): Schülervorstellungen und Physikunterricht. Berlin: Springer-Verlag GmbH, S. 69.
  2. Schecker, Horst; Wilhelm, Thomas; Hopf, Martin; Duit Reinders (Hrsg.) (2018): Schülervorstellungen und Physikunterricht. Berlin: Springer-Verlag GmbH, S. 69.
  3. Formelsammlung und Berechnungsprogramme Maschinen- und Anlagenbau, Url: https://www.schweizer-fn.de/stoff/reibwerte/reibwerte.php#metallwerkstoffe
88x31.png Universität Stuttgart, 5. Physikalisches Institut, AG Physik und ihre Didaktik, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0